Der Ziggo Dome in Amsterdam. Was für ein Name.
Wer kommt auf die Idee, einen Konzertsaal so großartig zu benennen. Vielleicht der- oder dieselbe, die auch die Idee hatte, The Who mal wieder in die Niederlande einzuladen. Die zur Einstimmung in den Konzertabend auf den Bühnenleinwänden laufenden Pop-Präsentationen wissen über Konzerte vor 45 Jahren zu berichten, als Townshend und seine Rabaukenbrüder schon in Rock-Opern machten und das niederländische Publikum mit Tommy beehrten. Zum 50. Jahrestag der Gründung haben sich Roger Daltrey und Pete Townshend mal wieder unter altem Namen und mit alten Songs auf den Weg gemacht und die „Who Hits 50“ Tour in ebenjenem Ziggo Dome zu Amsterdam beendet. Auf der Reise hierher haben sie vorher noch das heimische Glastonbury-Festival als Headliner mitgenommen. Scheint dort auch nicht so schlecht gelaufen zu sein ;) Nun schauen also gut 15.000 Who-Fans auf die schöne große Bühne und lesen ein paar Anekdoten aus der „Whistorie“. Natürlich gibt es viele schöne Flugfotos von Pete und muskulöse Bilder von Locken-Roger. Szenenapplaus brandet auf, als die unorthodoxeste Rhythmussektion der Rockgeschichte auf den Leinwänden auftaucht, John Entwistle und Keith Moon, Gott habe sie selig. Sogar eine Hommage an den jüngst verstorbenen Yes-Bassisten Chris Squire nötigt den Fans der Un-Proggigsten Band der Welt ein bisschen betroffenen Applaus ab. Und dann kommen die zwei Helden des Abends leger auf die Bühne geschlendert, Pete in der Verkleidung des Angry Old Man in dunkler Jeans und dunklem T-Shirt, Roger im Old But Still Gold mit aufgeknöpftem Hemd und scharf getrimmtem Mund-rum-Bärtchen. Mit „Who Are You“ geht die (nicht mehr ganz so wilde) Fahrt los, es folgen die erwarteten Hits: The Seeker The Kids Are Alright I Can See for Miles Pictures of Lily My Generation Behind Blue Eyes Bargain Join Together You Better You Bet I'm One Love, Reign O'er Me Eminence Front Amazing Journey Sparks Pinball Wizard See Me, Feel Me Baba O'Riley Won't Get Fooled Again Woran sich interessanterweise keine Zugabe anschließt. Wir alle hätten noch den ein oder anderen Song gewusst, den man noch locker hätte spielen können, aber gut, sind wir froh, dass 19 Knaller gegeben wurden.
Zwischen jedem Song racontiert Monsieur Townshend gewohnt launig-spaßig über die Geschichten zu, während und hinter den Songs. Über die Leinwände irrlichtern derweil die tollsten Farbspielereien und Videosequenzen, überhaupt ist die Licht-Inszenierung ein Höhepunkt für sich. Der Abend gerät so etwas in die Richtung eines Pop-Singspiels, bei dem die erzählte von Pete Handlung durch Musik und Lichtspiel illustriert und durchwirkt wird. Eine Art Who-Musical. Um nicht zu sagen, Oper ;)
Darf man dieser Bühnen-Beleuchtungs-Politik glauben, bestehen The Who mittlerweile aus nur noch drei Personen, obwohl acht Musiker auf der Bühne stehen. Natürlich zunächst Hauptnase Townshend und sein Neben-Daltrey. Den dritten Platz belegt der Mann hinter’m Schlagzeug, Zak Starkey. Historisch nachvollziehbar, aber irgendwie ungerecht. Denn alle weiteren Akteure werden eher spärlich mit Licht besehen, überdies stehen ja komischerweise mehr „Begleitmusiker“ auf der Bühne als The Who jahrelang als eigenes Personal innehatten. Allein drei Keyboarder (John Corey, Frank Simes, Loren Gold), die alle auch gut singen müssen. Und einer von ihnen steht auch noch abseits der anderen Musiker alleine rechts. Offenbar muss er noch die Rock’n’Roll-Probezeit überstehen, bis er zu den großen Jungs rüber darf. Im Vergleich zu den kürzlich durchgezogenen AC/DC darf man übrigens nochmal darauf hinweisen, die diese Jungs seit jeher keine Aushilfsmusiker dabei haben. AC/DC mit Keyboarder, Bläsergruppe und Backgroundsängerinnen. Haha, schönes Bild... ;)
Zurück zu den Who. Im Aufgebot der Söldner steht noch Pino Palladino, der große Unbewegliche am Bass, sowie Petes kleiner Bruder Simon (wie mag es wohl sein, in der Band vom großen Bruder die Hilfsgitarre zu bedienen? „Boah, der Pete wollte früher schon immer der Bestimmer sein…“)
Tja, und der Zak. Ein berühmtes, geliebtes Mitglied in einer Band zu ersetzen, ist schwer genug, im Fall von The Who, bzw. Keith Moon ist dies ein besonders schweres Schaf. Einige haben bereits versucht, den Platz von Moon the Loon einzunehmen, aber keiner hat den Spagat hinbekommen zwischen dem eigenen Stil und dem, was man als Nachfolger zwangsläufig immer ein bisschen vom Vorgänger liefern muss. Kenney Jones, als Zeitgenosse und einst Trommler bei der Konkurrenz in den 60ern, war ein genialer Griff, hinterließ aber mit seinem leicht irritierten Gesichtsausdruck immer den Eindruck, er könne nicht ganz Schritt halten. Dann Simon Philips, der unfassbar gut spielende Gentleman unter den feinen Miet-Trommlern. Aber eben keiner mit schmutziger Band-Vita, die zu The Who gepasst hätte. Und schließlich Zak Starkey. Der Bub (wird auch 50 dieses Jahr) hat am Ende alles, was es braucht. Sein Vater ist der Ur-Drummer der Popmusik, der Archetyp des lustigen Trommelschlägers: Ringo Starr. Das Vorbild, an dem sich seit 1965 alle orientierten, die auf der Bühne auf den Rücken von Gitarristen und Sängern gucken. Ringo. Hach. Sohn Zak vermag es tatsächlich, die Songs der Moon-Ära sanft rhythmisch zu fassen, sie etwas genauer zu strukturieren als sein Patenonkel Keith und dabei trotzdem alle typischen Moon-Muster zu reproduzieren. Sein Spiel hört sich schaurig-schön nach dem Meister des Durchrumpelns an. Sogar gucken kann er wie Onkel Keith. Er habe halt erfolgreich an der „Royal Academy of Keith Moon“ studiert, schwadroniert Pete Townshend bei der Vorstellungsrunde über ihn. Tatsächlich hat der 8-Jährige Zak ein Schlagzeug von Keith Moon geschenkt bekommen, schöne Fotos von den beiden gab’s in den erwähnten Präsentationen vorab. Er hat außerdem mit Oasis wohl in der britischsten, who-igsten Band der 90er gespielt, wo die Gebrüder Gallagher ähnlich wüst miteinander umgingen wie weiland die Unbrüder Townshend und Daltrey. Und nicht zuletzt trägt er offenbar gern die alten Hemden von Kinks Ray Davis auf, wie zuletzt beim Superbowl-Halbzeit-Spektakel. Dass er aber hinter Glas gehalten wird, ist beinah unverzeihlich. Sein sooo schön beleuchtetes Moon-Gedenkschlagzeug hinter den Lärm-dämmenden Acryl-Platten zu verstecken… schade.
Aber das soll dem positiven Fazit des Abends nicht im Wege stehen, genauso wie die obszönen 5€ für ein (zugegeben) lekker Pilseken. Oder dass Daltrey nicht mehr alle Töne so treffsicher und viril intoniert. Oder Townshend nicht alle Saiten seiner Gitarre gleich gut trifft und immer noch nicht einsehen will, dass er kein Leadgitarrist ist. Die beiden verwalten Ihr Erbe. Und das mit Anstand und Würde. Schafft auch nicht jeder heutzutage. Schließen wir also mit den Worten Roger Daltreys:
„We care a lot about our nostalgia.“
Wir auch.
PS: In den folgenden Werbeblock stellen wir heute mal nichts von der behandelten Band ein, sondern was von der Vorband, den tollen The Last Internationale. Eine Geschichte für sich, der Trommler von Rage Against The Machine, Brad Wilk, hat dort mal gespielt. Und die Musik klingt , als ob Patti Smith der Band of Skulls Schlaflieder vorsingt. Und ein Gitarrist, der aus den alten Lederjacken von Johnny Ramone geklont zu sein scheint. Die behalten wir mal im Auge.
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Der Popwart
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