Mit wirklich „ernsten Verstimmungen“ muss man nicht rechnen. Auch wenn die Beinamen der Werke auf dem Spielplan des ersten Meisterkonzerts in der Tonhalle mit dem Leipziger Gewandhaus-Quartett und der Pianistin Ragna Schirmer anderes nahe legen wollen: Wolfgang Amadeus Mozarts „Dissonanzen-Quartett“ und Ludwig van Beethovens „Quartetto serioso“. Mit bürgerlichem Namen Streichquartett Nr. 19 C-Dur KV 465, bezieht sich der Name des Mozartschen Opus nur auf die einleitenden 22 Adagio-Takte, deren zugegebenermaßen dissonanten Querstände zu ihrer Entstehungszeit noch für viel musikgelehrten Wirbel sorgen konnten. Heute ist man da wesentlich entspannter und genießt die vollendete Ausführung dieses Werks, insbesondere wenn es von so sachverständigen Musikern wie dem Gewandhaus-Quartett musiziert wird. Egal, welche Parameter das kritische Ohr beim Hören von den vier Musikern Frank-Michael Erben (Violine I), Conrad Suske (Violine II), Volker Metz (Viola) und Jürnjakob Timm (Violoncello) abfragt, es vergibt durchweg Bestnoten. Ein frisches und agiles Tempo, weich zusammenfassende Phrasierungen, perfekte Intonation, sichere dynamische und rhythmische Synchronität sowie großer musikalischer Ausdruck und Mut zu piano-Stellen ohne Vibrato – viel besser kann man einen Mozart eigentlich nicht spielen. Über das Streichquartett Nr. 11 f-Moll op. 95 von Ludwig van Beethoven weiß das Programmheft zu berichten, dass es Beethovens unglückliche Lebens- und Liebesumstände gewesen sein sollen, die den Bonner die Betitelung des „ernsten Quartetts“ auf die Notenblätter schreiben ließen. Das Gewandhaus-Quartett folgt diesem Interpretationsansatz aber nur so weit, dass sie durch forsche Gangart, insbesondere im Kopfsatz, das Ernsthafte und teils Stürmische herausstellen. Von zu langsamer Auskostung romantischer Grübeleien halten sie sich glücklicherweise fern. Für das abschließende Klavierquintett A-Dur op. 81 von Antonin Dvrorák komplettiert die Pianistin Ragna Schirmer das Gewandhaus-Quartett zum Quintett. Schirmer, ein heller Stern am Pianisten-Himmel, gelingt es leichthändig, ihr Spiel an den Solostellen glänzen zu lassen und fügt sich wunderbar in den harmonischen Gesamtklang. Für den herzlichen Applaus gibt es noch einmal den ersten Satz des Dvorák-Quintetts. – erschienen im September 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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