„Kollega Kappeskopp“ Serdar Somuncu ist Kabarettist, Türke und Provokateur. Er ist rücksichtslos, politisch vollkommen unkorrekt und er hat bei 1428 Auftritten aus Hitlers „Mein Kampf“ vorgelesen. „Wenn Sie heute Abend hier von mir auf die Fresse kriegen, dann ist das alles lieb gemeint“, brüllt er den vollbesetzten Stuhlreihen im Zakk zu Beginn entgegen. In den folgenden zwei Stunden spritzt Somuncu in seinem neuen Programm „Getrennte Rechnungen – Hitler Kebab“ pausenlos Gift und Galle gegen die Dinge, die ihm nicht passen. Angefangen bei sprachlich verarmten Deutschen, die ihre Enkel mit „Kevin, komm mal für die Omma“ zu sich rufen, über Türken, die sich darüber aufregen, dass ihnen „Scheiß-Kanaken“ in Deutschland die Arbeitsplätze wegnehmen, bis hin zu dem Mann, von dem sich Somuncu fast schon als besessen gibt: Hitler, immer wieder Hitler. Seine verbalen Spiralen schrauben sich ständig in psychotische Geschichten, die in die kläffende Stimme des Massenmörders münden, egal ob er nun Brötchen kauft oder als Bassa Selim in Mozarts „Entführung aus dem Serail“ auftritt. Sein Gesicht verzieht sich während dieser sprachlichen Achterbahnfahrten zu Grimassen eines Louis de Funès, die Stimme changiert vom glottalen Röhren eines Marius Müller Westernhagen bis zum rotgesichtigen Schreien eines Klaus Kinski. Somuncu klettert auf Bühne, Tisch und Stuhl herum, wirft den Mikroständer durch die Gegend und steckt sich das Mikrofon auch schon mal vorn und hinten in die Hose. Fäkalhumor sei wichtig, sagt er, damit erreiche man schneller die Grenzen beim Publikum. Im Saal schlagen bei solchen Sprüchen die Hände gleichermaßen auf deutsche und türkische Oberschenkel, der friedensbewegte deutsche Strickpulli schüttelt sich genauso vor Lachen wie die an modischem Accessoire reiche Türkin. Aus seinem neuen Buch liest Somuncu erst nach fast einer Stunde. Binnen Sekunden reißt er darin das emotionale Steuer herum. Aus Lachen über hysterisches Gekeife des Gröfazke wird unversehens stille Anrührung bei der Beschreibung bitterer Ausgrenzung des kleinen Serdar an dessen erstem Schultag. Kaum noch Luft vor Lachen bekommt man wiederum bei den Geschichten seines Vaters, der sich als junger Einwanderer mit Ausdrücken der neuen rheinischen Heimat seinen deutschen Sprachvorrat zusammenzimmerte. Einen wirr daher redenden Menschen nannte er schlicht „Kollega Kappeskopp“! Ein großartiger Abend. – erschienen im Mai 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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