Ein bisschen sei es ja, als wären sie ihre eigene Vorgruppe, schmunzelt ein gut aufgelegter Pat Metheny zur „Begrüßung“ nach einer guten Stunde Musik in der Mitsubishi Electric Halle und blickt in die Runde seiner Bandkollegen, der Pat Metheny Unity Group. Mit Chris Potter (Saxofon, Englisch-Horn, Flöte), Antonio Sanchez (Schlagzeug), Ben Williams (Bass) sowie Giulio Carmassi (Klavier, Flügelhorn, Gesang) spielt Metheny nämlich zunächst Songs aus ihrem ersten gemeinsamen Album von 2012, schlicht „Unity Band“ betitelt. „Come And See“, „Roof Dogs“ „New Year“ und auch „James“ werden von den gut 1700 Besuchern gut gelaunt aufgenommen. Ihnen bietet Metheny einen fast dreistündigen Abend, übervoll mit Musik, im besten Wortsinn ohne Pause gespielt, denn der 59-jährige verzichtet beinahe gänzlich auf Ansagen oder gar eine Pause im Set. Eigentlich ist Pat Metheny dabei sogar noch seine eigene Vorgruppe zur Vorgruppe, denn er betritt zu Beginn die Bühne allein und lässt sich seine 42-saitige „Picasso“-Gitarre reichen, eine instrumentbauliche Extravaganz erster Güte, auf der er dann „Into The Dream“ anstimmt. Aber Extravaganz und ein sympathischer Hang zur Unangemessenheit der Mittel ist dem Wuschelkopf und Gitarrengott Metheny ja ohnedies nicht abzusprechen. So hat er für diese neuerliche Tournee mit der Unity Band auch wieder sein „Orchestrion“ mitgebracht, einer umfangreichen Sammlung mechanischer Musikinstrumente, die wie aus altem Apotheken-Inventar und dem geheimen Labor eines verrückten Professors zusammengebastelt zu sein scheint. Die vielen mannshohe Schränke hinter den Musikern steuert Metheny mit seinem Gitarrensynthesizer, sodass sich im Hintergrund ständig „verrückte Dinge tun“, wie der Amerikaner selbst lächelnd erklärt. Seine Fans bekommen also schon eine reich gedeckte Schmankerlplatte serviert, bevor es mit „Kin“, „Rise Up“, „Born“, „Geneaology“ und „On Day One“ überhaupt erst zu den Liedern der aktuellen CD „Kin (<-->)“geht. Über die Musik dieses Albums hat der Mann mit der Vorliebe für Ringel- Pullis (natürlich trägt er auch an diesem Abend einen solchen) gesagt, er kuratiere in den Stücken die musikalischen Vorlieben und Fähigkeiten seiner Mit-Musiker. So gelingen die Darbietungen auf der Bühne auch zu wahren Schaustücken über Griffbretter, Trommelfelle, Tasten und Mechaniken des jeweiligen Instruments. Insbesondere die atemberaubend schnellen, hin- und hergeworfenen Improvisationen von Metheny und Potter begeistern die Zuhörer immer wieder. Die Unity Band - und das enge Zusammenstehen der Musiker unterstreicht das Gefühl, einer wirklichen Band zuzuhören und nicht einer Sammlung von Solisten - zieht so ziemlich jede Jazz-Schublade auf, jagt durch Free-Jazz-Segmente genauso wie durch Be-Bop und Fusion, vermengt Swingendes mit Blues. Zum Ende hin darf jeder Musiker in reizvollen Duetten mit Mr Flitzefinger nochmal hell scheinen, darf ausgiebig zeigen, wie hoch die Instrumtenbeherrschung gediehen ist. Metheny, der sich teils ganz zurücknimmt und seine Gitarre nur unverstärkt spielt, wird hier vom Kurator zur Bühne für seine Musiker. Langer Applaus von den Besuchern, die mit zwei Zugaben in die Nacht entlassen werden. – erschienen im Mai 2014 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Die Stones haben eine neue Single veröffentlicht. Wer hätte das gedacht? Kein Album, nein nein, erstmal nur eine neue Single, die der aktuellen Best-of "Grrr!" zugefügt ist. Darüber kann man sich auch mal auslassen, ob es eine gute Sache ist, die alten Songs immer wieder neu aufzulegen und ein einzelnes neues Lied für den Preis einer "ganzen" CD zu verkaufen. Aber komm, egal ;) Sind wir doch froh, dass die Stones überhaupt mal wieder einen neuen Song haben. Und angesichts ihres Alters, bei dem sich Erfahrung und nachlassende kreative Kraft im Widerstreit befinden, ist "Doom & Gloom" kein schlechtes Ergebnis. Was für ein passender Titel übrigens für ein 50-jähriges Jubiläum... Man mag sich angesichts des Titels fragen, ob die Stones jetzt in Doom Metal machen? Oder geht ihre Karriere jetzt in verhängnisvoller Düsternis zu Ende? Wie auch immer. Unabhängig vom wenig fröhlichen Thema klingt der Song doch sehr Stones-ig. Er hört sich seeehr nach dem alten, meist geliebten Stil der Stones an. Keith Richards spielt in seiner bewährten (und zum klingenden Markenzeichen gewordenen) offene G-Stimmung, sein und Ronnie Woods Gitarrensound ist (endlich!!) wieder wie es sich gehört und Charlie Watts macht das, was er seit 50 Jahren am besten kann: Sein Beat rollt und rollt und rollt. Auch wenn er im Refain das Tempo halbiert, was er in seiner Karriere bemerkenswerterweise eher selten gemacht hat. Dafür rumpelt er nach dem Ende Stücks noch herrlich herum. Tja, und Mick röhrt daher wie ein 20-jähriger Street Fighting Man, nicht aber wie man es sich für ein paarundsechzigjähriges Rock'n'Roll-Monument vorstellen würde. "Doom & Gloom" steckt bis oben hin voller Referenzen an frühe Songs der Stones. Das nennt man wohl Stilsicherheit. Warum auch nicht, das will man ja schließlich auch von den Stones hören. Noch ein Wir-probieren-mal-was-Neues Fehlgriff wie "Miss you" braucht keiner wirklich. Und so richtig groovy waren die letzten Stones-Alben auch nicht so recht. Insofern, Danke für "Doom & Gloom", ein sehr guter Song von einer Band, die lange nicht mehr sehr gut war und das alle Lieblingslieder der Stones in vier Minuten komprimiert.
Sie ist klein, kaum über einen halben Meter lang, hat nur vier Saiten und wird oft für ein Kinderspielzeug gehalten. Sie hat einen komischen Namen und lässt viele Menschen glauben, man höre das Rauschen der Südsee, wenn man sie ans Ohr hält. Ja, die Ukulele ist ein merkwürdiges und vielfach unterschätztes Musikinstrument, in der musikalischen Wahrnehmung rangiert es ungefähr im Bereich der Triangel. Aber es gibt sie, die Freunde und Bewunderer der Ukulele. Genug sogar, um alle Plätze im Robert-Schumann-Saal auszuverkaufen und lautstark ein großartiges Ensemble zu bejubeln, dass sich ganz diesem liebenswerten Schoßhündchen der Chordophone verschrieben hat. The Ukulele Orchestra of Great Britain, sechs Herren und eine Dame von den Britischen Inseln, führen mit dem Begriff Orchester zwar ein großes Wort für ein so kleines Instrument im Namen, doch was in den folgenden zwei Stunden auf der Bühne zu hören und erleben ist, rechtfertigt jede vermeintliche Anmaßung. Die Mitglieder des Orchesters sind äußerlich sehr unterschiedliche Typen, der gealterte Langhaarige sitzt neben dem Zweimeter-Mann mit Büro-Ausstrahlung, der schüchterne Postbote neben der exaltierten Dame mit grellem Kopftuch, aber alle eint das kleine Gezupfte auf dem Schoß. Zum Auftakt preschen die brav in schwarze Anzüge gekleideten Ukulelisten durch schnellen Dixieland-Jazz, angeblich komponiert von Marilyn Monroe, die man gleich noch zur Ukulelen-Virtuosin stilisiert. Ähnlich wird die Punk-Hymne „Should I Stay Or Should I Go“ von The Clash als spanisches Liebeslied angekündigt, dessen Text so viel bedeute wie „Ich hatte heute Fluss-Aal zum Abendessen“. Dieses Muster an herrlich schrägen Geschichten (die Nähe zu Monty Python ist unverkennbar) als Einleitung für wunderbar umgearbeitete Versionen großer Rock- und Pop-Songs erzeugt binnen kürzester Zeit eine sehr heitere Stimmung im Publikum. Vielfach wird gelacht, wenn nach den ersten Takten die Erkenntnis einsetzt, welcher Song da nun wieder umgekrempelt wurde. Selbst Lieder, die man nie außerhalb ihres natürlichen Habitats vermuten würde, schaffen es durch das Ukulele Orchestra of Great Britain problemlos auf klassische Konzertbühnen. Das krachige „Anarchy in the UK“ der Sex Pistols als schunkelige Country-Ballade oder ein ungestüm geschrammeltes „Smells Like Teen Spirit“ von Nirvana sind dafür Beispiele. Hinter dieser musikalischen Clownerei steckt eine ganze Schrankwand an Repertoirewissen und spielerischen Fähigkeiten. Zitate und Anspielungen werden ständig eingestreut, zwischenzeitlich singen sie mehrere Songs gleicher Akkordstruktur simultan übereinander. Wen es dabei angesichts der versteinerten Mienen und steifen Körperhaltung der Musiker beim Schreddern ihrer Ukulelen nicht vor Lachen zerreisst, kann weder Herz noch Ohr haben. Die Ukulele mag klein sein, aber an diesem Abend hat sie es uns mal so richtig gezeigt. – erschienen im Februar 2012 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
Auf Konzertreise mit ihrer neuen CD „In meiner Mitte“ ist Annett Louisan in unserer Mitte zu Besuch, genauer gesagt in der ausverkauften Tonhalle. Mit einer sehr starken Band (Cello, Bass, Schlagzeug, Keyboards und Gitarre) im Rücken präsentiert sie eine Auswahl von Liedern des aktuellen Albums und früherer Veröffentlichungen. Mit dem gleichnamigen Titelsong eröffnet die junge Chanteuse alter Schule das Konzert und schaut mit ihren großen Augen in den Saal. Die Mehrheit ihrer Songs wie „Würdest Du“, „Chancenlos“, „Vorsicht! Zerbrechlich“ oder ihr bislang kommerziell erfolgreichster „Das Spiel“ wirken mit ihrem sanft schaukelnden Dreivierteltakt wie Wiegenlieder für Erwachsene, doch ist die stilistische Vielfalt von Annett Louisan weit größer. Da steht mal ein zornig daher preschender Tango („Pärchenallergie“) neben einem langsamen Blues („Die Katze“), oder eilige lateinamerikanische Rhythmen („Mama will ins Netz“, „Rosenkrieg“) reichen sich mit rockigen die Hand („Schlaf“). In Louisans Texten finden sich immer wieder lautmalerische Teile, im Falle von „Patamm“ ist so etwas sogar zum Songtitel geworden. Gerne geht das Publikum mit Frau Louisan eine gemeinsame Schubidu-Liason ein. Das erzeugt schnell ein kuscheliges Sonntagmorgenambiente. Zum Schluss zollt Annett Lousian noch dem von ihr hoch verehrten Charles Aznavour mit „Spiel, Zigeuner“ einen mitreißenden Tribut, bevor die Zuhörer sie und ihre Band nach zwei Stunden mit stehenden Ovationen feiern. – erschienen im November 2011 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf „Wenn andere aus meinem Buch vorlesen, kotzʻ ich fast“ Ein interessanter Punkt, den Charlotte Roche da bei ihrer Lesung im Savoy Theater vorbringt. Solange die 33-Jährige selbst das eigene Werk rezitiert - so wie sie an diesem Abend ihre jüngst erschienenen „Schoßgebete“ - ist alles in Ordnung. Aus fremdem Munde dagegen erscheinen ihr aber die Worte so „ekelig“ ausgesprochen, das könne sie nicht aushalten. Die Menschen, die zum Anlass des Rocheʻschen Vortrags das Savoy Theater zu gut drei Vierteln füllen, scheinen ebenfalls nicht nur robuste Mägen zu haben, sie zeigen sich sogar bestens unterhalten. Die expliziten Schilderungen sehr aktiver Ausgestaltungen des ehelichen Zusammenseins zwischen der Hauptfigur Elisabeth Kiel und ihrem Ehemanne werden im Saal von giggeligem Gekicher, mitunter auch lautem Lachen begleitet. Fast nach jedem Satz grinst auch Charlotte Roche breit, kommentiert und illustriert das Gesagte mit Handbewegungen und Geräuschen. Dabei haben ihre Geschichten nun wirklich keinen Bedarf an weiterer Klärung von Details. Wir lernen nebenbei noch von ihrer Begeisterung für die Leistengegend des Komikers Matze Knop oder den Sextipps, die sie von Sängerin Peaches einst bekam. Hier und dort stöhnt es im Publikum auch mal auf, wenn das Erzählte offensichtlich wieder mit Macht eine Vorstellungs- und Ekelgrenze über den Haufen fährt. Diese Liebe zum ganz genauen Hinsehen, besonders dorthin, wo es weh tut, schlecht riecht oder keinen was angeht, lässt sich rückblickend bereits früh feststellen. Vor Jahren saß Charlotte Roche bereits im Savoy und las aus einer Doktorarbeit, die sich in Wort und Bild detailreich mit Verletzungen an des Mannes bestem Stück beschäftigte, hervorgerufen durch libidinös motivierte Handlungen an Staubsaugern. Es kann also niemand behaupten, er hätte nicht gewusst, was hier auf ihn zukomme. Die „Philip Lahm der Bums-Belletristik“, so ihre eigene Ankündigung aus dem Off zu Beginn, liest aus ihrem Buch somit auch zwei Sexszenen und erfüllt damit voll die an sie gestellten Erwartungen. Dass das Buch aber zu weit größeren Teilen von etwas ganz anderem erzählt, nämlich schrecklichen Schicksalsschlägen, dem Tod und einer zerbrochenen Familie, bleibt außen vor. In der anschließenden Fragerunde beantwortet sie die Frage nach den traurigen Teile der Geschichte, die könne jeder lieber alleine lesen, sie veranstalte lieber lustige Lesungen. Charlotte Roche dabei zu beobachten, wie sie auf elegante Art jede noch so gute oder schlechte Frage mit Witz und Charme dem Fragenden wieder um die Ohren haut, ist dabei mindestens so unterhaltsam zu beobachten wie ihr Vorlesen. – erschienen im September 2011 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
Das Intro von „The Wall“ ertönt – und schon ist man auf der Zeitschiene 32 Jahre zurückgerutscht. Das Pink Floyd-Album „The Wall“ markierte für den Songschreiber und Bassisten Roger Waters den persönlichen kreativen Zenit, für die Band war es der Anfang vom Ende. Das Album „The Wall“ wurden 40 Millionen Mal verkauft, aber die Show erlebte 1980 nur einige Auftritte in New York, London und Dortmund. Dann wollte Waters aus der Gruppe aussteigen, David Gilmour und Nick Mason kündigten an, allein weiterzumachen – bis 1987 beharkte man sich um die Rechte am gemeinsamen Werk. 1990 stellte Waters anlässlich der Wiedervereinigung noch einmal eine weltweit übertragene Aufführung von „The Wall“ in Berlin auf die Beine. 20 Jahre später schickt er sein Opus Magnum erneut auf die Reise. Die aktuelle Produktion in der Düsseldorfer Arena ist ein grandioser Brocken multimedial aufbereiteten Rockbombasts. Die mehr als 70 Meter breite Bühne ist an der Längsseite der ausverkauften Halle aufgebaut. Die 35 000 Besucher blicken durch ein Loch in dieser Mauer auf zwölf Musiker, die sich neben den reaktivierten Requisiten wie fliegenden Schweinen in Lastwagengröße, haushohen aufblasbaren Puppen und einem in die Mauer stürzenden Kriegsflugzeug wie Spielzeugfiguren ausnehmen. Der 67-jährige Waters spielt das Doppelalbum, ein teils autobiographisches Konglomerat aus Innenschau, Gesellschaftskritik und Anti-Kriegs-Parolen, in seiner gesamten Länge von mehr als zwei Stunden. Riesige Projektoren werfen bewegte Bilder der Musiker sowie Animations-Sequenzen aus Alan Parkers „Wall“-Verfilmung auf die gesamte Breite der Mauer. Bei „Mother“ singt Waters gar zu einer Videoaufnahme von sich selbst aus den „Wall“-Konzerten von 1980. Das ist unmittelbar umwerfend, schon nach den ersten Minuten haben die Zuschauer vergessen, wie man den Mund wieder schließt. Minutiös ist die Choreographie dieses Mauerbaus inszeniert – zur Pause ist die Band vollständig hinter der Mauer verschwunden: Angst baut Mauern – „fear builds walls“, den inneren Mauerbau gibt es noch immer. Die Gitarristen Snowy White, G.E. Smith und Dave Kilmister zaubern den Sound des Pink Floyd-Gitarristen David Gilmour in Vollendung wieder herbei. Dessen unsterbliches Gitarrensolo in „Comfortably Numb“ wird dem Original in Ton, Phrasierung und Ausdruck ebenbürtig zelebriert. „The Wall“ 2011 ist größenwahnsinnig, überbordend, pompös, spektakulär. Und schlicht großartig. Waters hat angedeutet, nach dieser Tournee seine aktive Karriere beenden zu wollen. Richtig, denn viel kann danach nicht mehr kommen. – erschienen im Juni 2011 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
Mönchengladbach ist sicher eine schöne Stadt. Bestimmt gibt sie einen vorzüglichen Rahmen für kulturelle Ausdrucksformen unterschiedlichster Couleur ab, seien es Theaterstücke oder Kriminalromane. Wofür sich die Vitusstadt allerdings weniger eignet, ist ein Konzert unter freiem Himmel während wetterunbeständiger Tage im Mai. Selbst wenn sich mit Shakira einer der heißeren Exporte Südamerikas im Niederrheinischen einfindet, hält sich die örtliche Wetterlage nicht an den beschwörenden Titel ihrer Welttournee „The Sun Comes Out“. Im Gegenteil bleibt die Sonne meist hinter diesigen Wolken verborgen und schickt stattdessen steife Brisen durch die Tribünen des Hockeyparks, der als Veranstaltungsort ausgewählt wurde. Und wenn schon keine Wärme, schenkt die Sonne uns zu Beginn des Auftritts doch noch so viel Licht, dass es nicht wirklich dunkel ist und die Eröffnung - den ansonsten magischsten Moment eines jeden Konzerts - ins bemerkenswert Unspektakuläre verschiebt. Shakira lässt in den folgenden 70 Minuten mit ihrer zehnköpfigen Begleitband und zwei Tänzerinnen aber nichts unversucht, um gegen diese widrigen Umstände anzusingen und zu tanzen. In der Tat liefern sie gemeinsam ein blitzsauberes Konzert ab, inklusive allem, was man bei einem Auftritt von der schönen Kolumbianerin erwartet. Natürlich sind da die vielen Hits, von denen sie unter anderem eine rockige Version von „Whenever, Wherever“ inklusive einer Referenz zu EMF‘s „Unbelievable“, „Gypsy“, „Sale El Sol“, „Loca“ und „She Wolf“ singt. Sie greift mitunter auch zu Akustikgitarre und Mundharmonika, lädt vier Besucherinnen zur Bauchtanznachhilfe auf die Bühne ein, spielt sogar einen unplugged-Teil auf dem Bühnen-Satelliten inmitten des mit rund 4000 Besuchern bezifferten Publikums. Ob Metallicas „Nothing else matters“ dabei unbedingt eine lateinamerikanische Umdeutung erfahren musste, lassen wir lieber unkommentiert. Im 20-minütigen Zugabenteil finden noch „Hips don‘t lie“ und der WM-Song von 2006 „Waka Waka (This Time for Africa)“ Platz. Doch ist das Singen bei Shakira ja ohnehin eher Sekundärtugend, nicht jeder mag ihren tiefen Stimmsitz, die merkwürdig eingezwängte Stimmfarbe in den höheren Registern und das Überschlagen der Stimme in die Oktave. Ihr viel beredteres (und dank der großen Videoleinwände auch bestens zu studierendes) Ausdrucksmittel ist der Hüftschwung, den sie reichhaltig und überraschend facettenreich präsentiert. Unbeeindruckt von den umgebenden 10 Grad Celsius tanzt, hüpft und wackelt die 34-Jährige barfuß über die Bühne, wobei sie sich nach und nach mehrerer Schichten ihrer wechselnden Oberbekleidung entledigt - ungefähr in dem Maß, wie die textilen Wärmeschichten im Publikum zunehmen. Temperament und Temperatur gehen hier einen ungleichen Kampf ein, der am Ende solch skurrile Bilder von Menschen übrig lässt, die in Jacken und Plastik-Regenponchos gehüllt Salsa tanzen. Das ist wohl das Maximum, was Mönchengladbach an kolumbianischem Feuer zulässt. – erschienen im Mai 2011 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf Nein, bescheiden ist er nicht gerade, der Herr Stromae aus Belgien. Sein Pseudonym setzt sich aus nicht weniger als den vertauschten Silben des Wortes Maestro zusammen. Das ist schon mal eine ziemlich selbstsichere Ansage. Und bei seinem ausverkauften Konzert im zakk legt der androgyn-dandyhafte Sänger, der bürgerlich Paul van Haver heisst, direkt nach, indem er in die Rollen von Lehrmeister, Prediger und sogar Dirigent schlüpft. Auch die Höhe der für seinen Besuch in Düsseldorf aufgerufenen Gage scheint nicht gerade unbescheiden gewesen zu sein. Die Veranstalter mussten mit dem belgischen Außenministerium zusammenlegen, damit der smarte Rapper überhaupt Anlass findet, den Weg zu uns anzutreten. Eine der interessantesten Fragen an diesem Abend ist also, ob Stromae einen so erzeugten Anspruch einlösen kann. Denn eigentlich sollte damit auch die Erwartungshaltung der Besucher entsprechend steigen, doch die überwiegend anwesende Generation Französisch-Leistungskurs bejubelt Stromae allein schon dafür frenetisch, dass der 26-Jährige leibhaftig auf der Bühne steht. Es sei gerne vorweggenommen, dass sie mit dieser Begeisterung am Ende auch Recht behalten sollen. Die Bühne ist ausgestattet mit großen geometrischen Projektionsflächen, die im Laufe des Abends mit einer spektakulären Licht- und Lasershow illuminiert werden. Davor stehen drei Arbeitsgeräte aus Computer und elektrischen Drums, die anmuten wie eine Mischung aus Steuerkonsole und Rednerpult. Nach dem Opener „Bienvenue chez moi“ trägt Stromae seine zwei roboterhaften Musiker in schwarzem Anzug und Melone auf die Bühne, die er hinter den Geräten in Stellung bringt und auf Knopfdruck aktiviert. Er selbst nimmt in roter Hose, Strickjäckchen mit Hemd und Fliege hinter seinem PC Platz und beginnt den Song „Summertime“ wie in einer Vorlesung kapitelweise zu präsentieren. Kapitel eins bis fünf stellen die jeweiligen Bestandteile Drums, Bass und Melodiebausteine vor, die schließlich in dem eigentlichen Lied gipfeln. Damit gelingt dem Lehrer Stromae eine ungemein effektive und kurzweilige Performance, die er auch bei seinem bislang größten Hit „Alors on danse“ geschickt einsetzt, um die Besucher in ausgelassene Tanzstimmung zu bringen. Mit Songs wie „Te quiero“, „Peace or violence“ oder dem großartigen „House‘llelujah“ stromert Stromae quer durch die elektronischen Stile, von Hip Hop, Drum‘n‘Bass bis zu Synthie Pop finden sich Versatzstücke. Alle benennen vehement die Zählzeiten mit einem Bass aus der Kategorie Herzmassage und geben den Tracks eine unwiderstehlich drängende Profilierung. So kommt das Ende des Konzert nach rund einer Stunde für die meisten überraschend und zu früh. Mehr als versöhnlich stimmt wieder die Zugabe. Eine großartige Version seines Nr. 1 Hits, dargeboten mit Unterstützung eines virtuellen Orchesters, das auf die Bühnendekoration projiziert wird. Als sei dies nicht schon genug, verweist Stromae sogar einen der Lichtmusiker aufgrund schlechten Spiels des Saales. Chapeau, Maestro Stromae. – erschienen im März 2011 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf Ist Carolin Kebekus die perfekte Frau? Ist sie die Fleisch gewordene Idee eines Mannes auf der Suche nach der verwandten Seele? Es ist durchaus erstaunlich, wie hoch die Übereinstimmung der gemeinhin anzunehmenden Interessenlage eines durchschnittlichen Mannsbildes und den Gesprächsthemen der Kölner Komödiantin ist. Bei der zweistündigen Vorpremiere ihres ersten Soloprogramms im ausverkauften Club des zakk enthüllt die 30-Jährige wortreich ihre eher ungewöhnlichen Vorlieben wie Fussball, Bietrinken, obzöne Witze und Pornofilme. Und das aus dem Munde einer hübschen Frau im fliederfarbenen Minikleid. Kein Wunder, dass sich an diesem Abend so mancher vor Lachen fast am Bier verschluckt. Carolin Kebekus ist frech, laut, vulgär, politisch kein bisschen korrekt und unglaublich lustig. Schon der Titel ihres Programms „PussyTerror“ zeigt deutlich, worauf man sich bei Frau Kebekus gefasst machen muss. Eine zotige Prekariats-Anekdote reiht sich an die nächste, die Frequenz der Schimpf- und Slangworte erreicht vielerorts eine für Schwiegermütter tödliche Dichte, selbst das gute alte Mund-mit-Seife-auswaschen wäre hier zwecklos. Wer sich die kindliche Freude am ungefiltert Derben erhalten hat, kommt bei Geschichten von „Huren-Pickeln“ und achtjährigen Nachbars-Jungs, die sich benehmen wie brünftige Wildschweine, voll auf seine Kosten. Diesen folgen explizite Schilderungen von traumatischen Pubertätsphänomenen wie der Erst-Menstruation sowie Einblicke in die dunkleren Ecken einer kindlichen Sozialisation in fragwürdigem Umfeld, in dem die Oma ihrem Enkel auch gerne mal die eigenen Playboy-Fotos zeigt. So zaubert sie den Menschen Bilder in den Kopf, die diese vielleicht lieber wieder los wären. Zitate aus ihrem Testosteronschwangeren Programm wären ohne weiteres geeignet, den Jugendschutz auf den Plan zu rufen, „Mathe ist ein Arschloch“ ist noch das Unverfänglichste. Wem das noch nicht reicht zur femininen Perfektion, für den hat Carolin Kebekus noch ihren Hass auf Frauen-Themen wie Müsli-Körner-Frühstück, Shopping und TV-Serien wie „Sex and the City“ im Ärmel. Sie ziehe zum Frühstück ganz klar das „lecker Mettbrötschen“ vor, was lauthals johlende Zustimmung findet. Alles in allem erfüllt Carolin Kebekus damit vielleicht nicht ganz die Definition von Perfekt im klassischen Sinne, aber der bessere Stammkneipen-Kumpel wäre dieser dunkelblonde Engel mit FSK 18 definitiv. – erschienen im Januar 2011 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf Das große politische Kabarett ist Jörg Knörs Sache sicher nicht. Auch feinsinnige Kommentare zum Lauf der Welt sind von ihm eher nicht zu erwarten. Er ist vielmehr ein Mann fürs Handfeste, einer, der die Klaviatur der leichten, manchmal auch seichten, Unterhaltung meisterlich zu bedienen weiss. Bei der Premiere seines neuen Programms „Alles nur Show“ im zu drei Vierteln gefüllten Theater an der Kö dauert es dann auch keine zehn Minuten, bis sich der thematische Rahmen fest im Sub-Gürtel-Bereich eingependelt haben. So erleben wir zu Beginn etwa Jochen Busse und Papst Bendikt beim Umgang mit Kondomen, anschließend besingt der jüngst zum Nichtraucher gewordene Jopi Heesters die „Zigarette danach“, gegen Ende ist es Panik-Opa Udo Lindenberg, der ein Lied darüber anstimmt, dass er jetzt „altersschwul“ wird. Die zwei von Knör gestalteten Stunden bieten nicht weniger als 35 prominente Stimmen, die er beeindruckend, zum Teil sogar umwerfend gut beherrscht. Was er diesen Personen in den Mund legt, gerät zur herzhaft belachten Parade von frivolen Albernheiten, schlüpfrigen Kalauern und süffisanten Gags. Und nicht nur Stimmen vermag der 51-Jährige zu imitieren, auch Gesten und Mimik sitzen bei Karl Lagerfeld, Gerhardt Schröder, Helmut Schmidt, Rainer Calmund, Roberto Blanco, Dieter Bohlen, Bruce Darnell, Heinz Erhardt und selbst Kollegen wie Martin Schneider und Mario Barth zum Niederknien schön. Einen roten Faden erkennt man nicht unbedingt, das ist aber auch nicht notwendig, allein die scheinbar lose Abfolge von Knörs Talent-Kostproben bietet genug Unterhaltungsqualität, um sich ins gemütliche Gestühl des Theaters zurückzulehnen und dem an sich herumzupfenden Knör genußvoll von Hölzchen auf Stöckchen zu folgen. Sich selbst sieht Jörg Knör als „Entertainer unter den Comedians“, doch muss er einsehen, dass viele seinen Wunsch nach dieser Sonderstellung noch nicht bemerkt haben. Wer hätte schließlich gewusst, dass Jörg Knör auch ein sehr guter Sänger, Saxofonist, Karikaturist und Zeichner ist? Ja, und manchmal scheint zwischen den Programmpunkten auch ein kleines bisschen der Grimm darüber durchzuscheinen, dass er nicht von allen so gut gefunden wird, wie er in seinen Augen ist. Dass er zudem den größten Applaus ausgerechnet dafür erhält, wenn er in die Verkleidung von Ur-Komiker Otto schlüpft, mutet ein wenig seltsam an. – erschienen im Januar 2011 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf |
Der Popwart
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