Nigel Kennedy würde bestimmt auch als Hausmeister eine gute Figur abgeben. Immer freundlich, hilfsbereit und handwerklich begabt. Bei seinem Auftritt in der Tonhalle, großspurig als „The Vivaldi Experience“ angekündigt, zeigt sich der quirlige Brite als musikalischer Hausmeister, der bei „seinen“ Vivaldi-Concerti immer und überall vor Ort sein möchte. Nachdem aus den Katakomben der Tonhalle seine lauten Jubelrufen tönen, mit denen er sich und sein begleitendes Orchester in Stimmung bringt, wuselt Kennedy ständig auf der Bühne herum. Er ist Solist und Dirigent in einem, treibt Scherze mit den Musikern, während er jedem Einzelnen immer wieder die Einsätze angibt. Nur fällt es ihm schwer, Kontrolle abzugeben, anderen das Ruder zu überlassen. Stets hat er ein kontrollierendes Auge und Ohr bei den Kollegen. Ja, nicht einmal die Ritornelle überlässt er dem Orchester alleine, auch hier muss er mitmischen. Seine solistischen Kollegen Daniel Stabrawa (Violine) und Olaf Maninger (Cello) verbannt er nach ihrem Einsatz wieder zurück ans Pult, Oboist Mariuz Pedzialek verschwindet gänzlich von der Bühne. Nigel, der Klassik-Knechter? Zwischendurch parliert mit dem Publikum, lässt sich einige Vornamen nennen und begrüßt zu spät kommende Gäste persönlich. Für Renate und Günther lässt er sogar einen Satz wiederholen. Programmzettel sind bei Nigel Kennedy ohnehin nur von fragmentarischem Wert. Geänderte Reihenfolgen oder auch mal ein kleines Concerto mehr als angekündigt, ist bei ihm immer drin. Diese bescheiden-tapsige Art und der lockere Umgang mit den Konzertkonventionen (immerhin trägt er etwas schwarzes Jackenähnliches), machen ihn binnen Minuten zum Sympathen der Zuhörer. Nigel, der Klassik-Kumpel. Seine „Experience“-Interpretation eines knackig-rockigen Vivaldi ist nicht mehr ganz so neu, reißt aber immer noch mit. Zu den Opfern seines fröhlichen Aktivismus gehört jedoch die technische Erstklassigkeit. Zwar bezaubert sein stahlharter Ton in den langsamen Sätzen, aber schnelle Allegro-Läufe zerreibt es ihm fast durchgehend, kaum einer kommt ohne Blessuren davon. Der Mehrheit im Saal ist das egal, Riesen-Jubel ist natürlich Ehrensache, für den sich Nigel Kennedy mit Zugaben revanchiert. – erschienen im Dezember 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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