Viel kann man nicht sehen von ihm. Versteckt hinter einem großen Flügel sitzt Luciano Pavarotti hinter einer Trutzburg aus Klavierlack und riesigem Blumengesteck, die ihn vor den Blicken des Publikums schützt. Lediglich ab Brusthöhe ist Pavarotti sichtbar, vor ihm seine Notenblätter, ein paar Getränke. Hemdsärmelig, mit offenem Kragen und buntem Tuch um die Schultern thront er da auf der Bühne und wirkt doch wie seine eigene Requisite. Es ist kein schöner Anblick. Der einst so große Tenor sieht müde aus und noch nicht erholt von den letzten gesundheitlichen Anstrengungen. Vor ihm sitzt sein Publikum, das die Messehalle 8 voll besetzt hat und diesem Abend der großen und angeblich endgültigen Abschiedstournee „A Night To Remember“ mit großen Erwartungen entgegen sieht. Doch es ist kein großer Auftritt mehr, den Pavarotti sich und seinen Gästen bieten kann. Kein Spannungssteigerndes Vorspiel, keine musikalische Ankündigung, keine großen Gesten. Kurz nach 20.00 Uhr gehen einfach die Lichter aus, der Vorhang öffnet sich und alle Akteure befinden sich bereits an ihrem Platz. Die Hände zur kollektiven Umarmung halb gehoben, begrüßt Luciano Pavarotti milde lächelnd seine Fans. Das ist alles. Es ist, als ob man den Fernseher einschaltet. Das Programm beginnt mit Arien von Tosti und Bellini, am Flügel begleitet von Pianist und Dirigent Leone Magiera. Die feine belcanto-Kost, die kaum jemand so verinnerlicht hat, wie einst Pavarotti, offenbart schnell, wie es um die Stimme des knapp 70-Jährigen steht. Sein Gesangsbild hat Risse bekommen, sein Glanz ist matt und die Strahlkraft blass geworden. Erinnerungen an die Zeiten des „himmlischen Luciano“ werden überdeckt von Phrasen, die zum Ende seltsam kraftlos klingen, von angestrengt gedrückten Höhen, bei denen ihm die Luft ausgeht und er nahe ans Mikrofon heran muss, um die Lautstärke zu halten. Offensichtlich sehr um die Kontrolle seiner Stimme bemüht, ist es da auch keine Hilfe, gegen die beharrlich summende Hallenbelüftung ansingen zu müssen. Im piano muss er kämpfen, dass ihm tiefe Töne nicht einfach wegbrechen. Seine Partnerin, Simona Todaro, singt dagegen ohne Mühe, ihr weicher Sopran hat einen angenehm tiefen Stimmsitz, voller Elastizität und Reife. Im eingeschobenen Duett „Ave Maria“ zum Gedenken des 11. September singt sie ihn aus, Big Lou bleibt nur so lala. Per Videoleinwand wird das Pavarotti-TV auch in die hintersten Reihen der Halle gebracht, vom Orchester, das für den zweiten Teil des Konzerts hinzutritt, hört man aus den Boxen allerdings nur Violinen und hohe Bläser. Fast unbeweglich in Gestik und Mimik verteilt der malade Chanteur seine verbliebene Kraft auf die forte-Anstrengungen der großen Verismo-Arien von Puccini, Mascagni und Leoncavallo. Richtigen Jubel kann er aber erst mit der Zugabe „O Sole Mio“ entfachen. Nach insgesamt drei Beigaben verschwindet Luciano Pavarotti wieder ganz unspektakulär hinter dem sich schließenden Vorhang. Ein schmerzlicher Abschied. – erschienen im September 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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