Die Voraussetzungen waren ideal. Noch am Nachmittag ehelichte der dänische Kronprinz in einer rauschenden Feierlichkeit seine hübsche Braut, bevor am Abend Helmut Lotti mit seinem Orchester in der Philipshalle spielt. Das reichlich in den Saal strömende Publikum ist also bereits ausreichend in Tränen mariniert, um sich am Schmuse-Sound des feschen Belgiers zu delektieren. Als dieser dann in adrettem Anzug vor sein gut 60 Personen starkes Orchester auf die Bühne tritt, brandet ihm bereits eine parfümgeschwängerte Woge der Verzückung entgegen. In perfekt assimiliertem Schwiegersohn-Habitus nimmt er den Applaus mit artigem Dank und treuen Augen entgegen. Kaum hebt dann noch die Musik an - diesmal präsentiert Lotti eine Auswahl seiner Lieblings-Songs der 60er und 70er Jahre in verpoptem Orchesterklang - schmilzen die Zuhörer in seinen Händen wie feinstes belgisches Nugat. Zwischen fast jedem Lied ist der Bühnenrand Treffpunkt der Generationen, die dem optischen Sahnetörtchen Lotti ihre floralen Liebesbekundungen verehren, schmachtende Blicke inklusive. Helmut Lotti betört seine Fans besonders in solchen Momenten durch eine konstante Spur des Unangemessenen. Ein wenig zu viel Haarspray, ein bisschen zu viel Sonnenbank, ein Stück zu nett, ein Hauch zu viel Dur. Vielleicht könnte Lotti ja immer noch einen ordentlichen Tenor aus sich machen. Er müsste dazu als Erstes abstellen, dass seine Stimme in der Höhe nur eine einzige dynamische Variante kennt, nämlich nur angestrengt laut. Schlimmer ist aber wohl noch seine mangelnde Taktfestigkeit. Nicht nur, dass er sich in schwierigen Passagen stets Hilfe bei seinem Dirigenten holen muss, es fehlt ihm auch gänzlich an rhythmischem Feuer. Für einen selbst ernannten Elvis-Imitator ist eine derart steife Hüfte wie die Lottis eigentlich nicht hinnehmbar. Mit seinem Gast Freddy Birset beweist Helmut Lotti aber auch Mut, denn der Chansonier hat durch seinen verbliebenen Haarkranz vielleicht nicht mehr allzu große Chancen, als Schwiegersohn unterzukommen, ist Lotti als Sänger aber deutlich überlegen. Derweil kräht sich Helmut Lotti munter weiter durch sein Repertoire an klangtoten Stücken, die auch trotz der guten Musiker im Orchester keine Haftwirkung erzeugen. Selbst so manchem am Pult entgleitet da das gewissenhafte Lächeln zur säuerlichen Miene der Pflichterfüllung. – erschienen im Mai 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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