„Warum soll ich nicht versuchen, ein perfektes Mädchen zu sein, auch wenn ich schon 46 bin?“ Das fragt eine souverän lächelnde Kim Wilde in Anspielung auf ihre neue Single „Perfect Girl“ bei ihrem ersten Auftritt in Deutschland seit 14 Jahren. Angesichts der jüngsten Ausfälle des bisher als perfekt geltenden Pop-Idols Britney Spears stimmt da wohl jeder vorbehaltlos zu. Ebenso einhellig ist auch die jubelnde Zustimmung der treuen Fanbasis, die sich dicht gedrängt in die Kölner Live Music Hall gezwängt hat, um Kim Wilde bei einem zwar nicht perfekten, aber doch sehr guten Konzert zu besuchen. Mag der Chorgesang hier und da auch nicht ganz sauber daherkommen und auch die Hauptaktrice punktuell etwas neben der geforderten Tonhöhe liegen, der Saal feiert den reaktivierten 80er-Sound in bester Laune. Offensichtlich hat es Kim Wilde gut getan, sich zwischenzeitlich um zwei Kinder sowie eine sehr erfolgreiche Karriere als TV-Moderatorin und Gartendesignerin zu kümmern. Der Depeche Mode-Klassiker erklingt fast besser als das OriginalAus ihrer sechsköpfigen Band stechen zwei Mitglieder hervor, zum einen ihr Bruder Ricky Wilde an der Gitarre, der damals wie heute ihre Karriere angeschoben hat, zum anderen Nick Beggs am Bass. Letzterer ein echtes 80er-Jahre-Fossil, seinerzeit mit Kajagoogoo und „Too shy“ erfolgreich, heute im schwarzen Leder-Kilt, etwas aufdringlichem Sound und – viel schlimmer – an vielen Stellen das Tempo verschleppend. Leider kommt auch wieder einmal in der Live Music Hall kein wirklich ausgewogener Klang zustande, zu breiig der Bass und zu dünn die verzerrten Gitarren. Mrs Wilde lässt sich aber von solchen Kleinigkeiten nicht die gute Spiellaune verderben und bietet ein engagiertes Set aus Songs ihrer neuen CD „Never say never“, gemischt mit alten Klassikern wie „You keep me hangin‘ on“, „You came“ sowie natürlich die unverwüstlichen „Kids in America“. Hinzu kommt ein Cover von Depeche Modes „Enjoy the silence“ – dies sogar besser als das Original. Die einstmals als „Bardot des Pop“ titulierte Wilde zeigt sich dabei deutlich mehr in Richtung Rock orientiert als die frühere Queen des Synthie-Pop. Ganz in schwarz mit Lederhose, langem Jackett (das später noch den Blick auf einen glitzernden Iron Maiden-Aufnäher preisgibt) und ihren platinblonden Haaren steht sie mit ihrer Band heute für einen Mid-Tempo-Rock ohne Schmutz, dafür gespickt mit vielen lieb gewordenen Melodieschnipseln, die das Ohr immer wieder gerne willkommen heißt. Im zufrieden lächelnden Publikum schwingt da auch die mittlerweile etwas breiter gewordene Hüfte bereitwillig mit. – erschienen im März 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
0 Kommentare
Hinterlasse eine Antwort. |
Der Popwart
|