Sich eine Zielgruppe auszusuchen, die überwiegend aus Minderjährigen besteht, ist eigentlich nicht der schlechteste Ansatz. Kann man doch sichergehen, dass der zu vermarktende Name mangels nötigem Kleingeld und einer gültigen Fahrerlaubnis mindestens einer weiteren (typischerweise erziehungsberechtigten) Person pro Zuschauer bekannt gemacht wird. Die Besucherzahl bei Konzerten verdoppelt sich dadurch theoretisch wie von selbst. Dieser Trick funktionierte beim Konzert von Kelly Rowland in der Philipshalle nur teilweise. Der Anteil offenkundig nur mitgereister Teilnehmer ließ sich immerhin ohne Anstrengung erkennen. Aber der halbe Zuschauerraum war mit Vorhängen abgeteilt worden, und der verbliebene Rest vor der Bühne war zudem nicht vollständig ausverkauft. Als Kelly Rowland dann die Bühne betrat, hielt es die kreischende Generation Superstars auch trotz wiederholter Ordnerweisung nicht mehr auf den Sitzen. Rowland zeigte sich während ihrer Darbietungen, von vier Tänzern und drei Backgroundsängern umrahmt, immer wieder in wechselnden Garderoben, die auch erschöpfend Auskunft über den Zustand ihrer körperlichen Fitness gaben. Bemerkenswert an dem Konzert war insbesondere, dass sich die Musik zwar akustisch in mächtiger Lautstärke präsentierte, optisch aber vollständig in den Hintergrund gedrängt war. Nicht nur wurde auf der Bühne zugunsten von akrobatischer Choreographie und Requisiten auf Begleitmusiker gänzlich verzichtet, sondern auch der Techniker, der die Musik von Band ablaufen ließ, hatte sich hinter dem Vorhang mit einem blickgeschützen Platz am Bühnenrand zu begnügen. Die amerikanisch durchgestylte Show arrangierte um Kelly Rowland eine Szenerie, in der die Leibhaftigkeit der Sängerin - eigentlich das entscheidende Moment eines Livekonzerts - vielfach verloren ging. Eingebettet in das simple Abspielen des Halb-Playback vom Band und in die Projektionen ihrer Hit-Videos auf die Bühnenleinwand wirkte sie selbst nur wie ein synthetischer Bestandteil der Show. Offenbar hatten die Veranstalter diese Kino-Atmosphäre vorausgeahnt und deshalb das Parkett vorsorglich komplett bestuhlt. Nach einer guten Stunde war das Spektakel bereits wieder zu Ende und die glücklichen Fans wurden mit reichlich Zuckerwatte in den Ohren wieder nach Hause entlassen. – erschienen im Oktober 2003 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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