Der Stand-Up Comedian Reginald D. Hunter ist in seiner Wahleimat Großbritannien (einer der wenigen sprichwörtlichen Hochburgen des Humors) alles andere als ein unbeschriebens Blatt. Mit Programmtiteln wie „A Nigga Runs Through It“, „Trophy Nigga“ oder auch „Pride and Prejudice… and Niggas“ hat er bereits einige Leute ordentlich vor den Kopf gestoßen. Wer ihn einmal selbst auf der Bühne erlebt hat, merkt schnell, dass er sich wirklich nicht lange mit trockenem britischen Humor aufhält. Vielmehr mag es der 45-jährige US-Amerikaner direkt, mitunter auch sehr direkt. „Engländer sind viel zu verliebt in das Indirekte“, beschwert er sich. Vielleicht schlägt er auch deshalb gerne feste dort drauf, wo es politisch unkorrekt weh tut. Das blieb nicht ohne Folgen und es hagelte üble Vorwürfe. Grund genug also, sich einmal mit ihm zu unterhalten. Aber schon vor der ersten Frage platzt es aus ihm heraus: Reginald D. Hunter: Oh, ich bin noch nie von einem Deutschen interviewt worden, das ist sehr aufregend! P: Sie waren noch nie in Deutschland? RDH: Doch, einmal. Aber das war während meiner Zeit beim US-Militär. P: Aber noch nie vor deutschem Publikum aufgetreten? RDH: Ja, so muss man es wohl ausdrücken. P: Nun, ich fürchte, Sie sind in Deutschland noch nicht so bekannt wie in ihrer Wahlheimat Großbritannien. RDH: Sie haben da nichts zu befürchten. Es sollte eher mir Angst machen! P: Mit das Erste, was man über Sie im Internet findet, ist der Vorwurf, sie seien rassistisch und frauenfeindlich. RDH: Ach, ja, das habe ich auch gelesen... P: Nicht der beste Einstieg, oder? RDH: Das sollen andere beurteilen. Ich bin eigentlich maximal indifferent gegenüber solchen Vorwürfen. Allerdings finde ich bei diesem Thema vor allem eines ärgerlich: Das soll alles sein, was ich bin? Mehr gibt es nicht über mich zu sagen? Niemand ist doch bloß zwei Dinge, oder? P: Ihre Programme heissen „A Nigga Runs Through It“, „Trophy Nigga“ oder auch „Pride and Prejudice… and Niggas“. Damit haben Sie offensichtlich Leute verärgert. Vielleicht benutzen Sie zuviele Kraftausdrücke? RDH: Ich benutze zuviele Kraftausdrücke? Verglichen mit wem? P: Mit mir...?! RDH: Oh ja, ich habe Sie noch nicht schimpfen hören, insofern, ja, dann benutze ich vielleicht mehr Schimpfworte. Aber ich bin Künstler und benutze viele Worte. Und nichts von dem, was ich sage oder tue, halte ich für besonders schmutzig, unter der Gürtellinie oder beleidigend. Die Dinge, die Sie über mich gelesen haben, sind von über-privilegierten, über-anspruchsvollen und leicht zu schockierenden Weißen geschrieben worden, die von allem geschockt sind, woran sie nicht glauben. Auch der Vorwurf, frauenfeindlich zu sein, kommt aus dieser Ecke. Aber wissen Sie, welche Frage Sie mir eigentlich hätten stellen müssen? Warum ich nach all den Erfahrungen, die ich mit Frauen hatte – ich wurde hintergangen, betrogen und habe mich mit ungewollten Schwangerschaften auseinander gesetzt - warum bin ich eigentlich noch nicht wirklich frauenfeindlich geworden? Warum mag ich sie immer noch? Das ist die eigentlich interessante Frage. P: Versuchen Sie vielleicht, den Menschen mit ihren Geschichten über Probleme im interkulturellen und intersexuellen Umgang miteinander einen Spiegel vorzuhalten? RDH: Nein, das habe ich früher gemacht. Irgendwann hab ich diese Überzeugung aber abgelegt. Die Menschen, denen man versucht, einen Spiegel vorzuhalten, sind hinterher immer noch die gleichen Arschlöcher wie vorher. P: Wenn ich Sie empfehlen sollte, mit welchem anderen Künstler darf ich Sie vergleichen, den man vielleicht bei uns kennt? RDH: Sting! Ich bin Sting sehr ähnlich. Ich schreibe auch künstlerisch sehr tiefgründige Texte, benutze schöne Worte und beschreibe verschiedene Formen der Liebe, allerdings mit mehr Witzen und Intensität. P: Sie stammen aus Georgia, USA, und sind mit 27 nach London gekommen. Warum? RDH: Nun, ich war 27 und habe darauf gewartet, dass etwas Außergewöhnliches passiert. Und ich wusste, dass mir nicht mehr viel zeit blieb. Also sagte ich mir, egal, geh ich halt nach London. P: Warum London? RDH: Das war der möglichst weit entfernteste Ort, an den ich mit meinem verbliebenen Geld und meinen Sprachkenntnissen gehen konnte. Wäre ich reicher gewesen oder könnte ich Deutsch oder Französisch, wäre ich vielleicht auch woanders gelandet. P: Und Ihre Absicht war, Stand-Up Comedian zu werden? RDH: Nein, ich habe erst Schauspielerei studiert. Stand-Up habe ich einfach mal ausprobiert, ohne mich groß vorzubereiten. Ich war pleite, gerade gefeuert worden und dachte, ist doch egal, versuch ich's einfach mal. Und manchmal klappt "ist doch egal" ganz gut, deshalb bin ich dabei geblieben. P: Also würden Sie diesen Weg auch anderen empfehlen? RDH: Naja, es kommt immer auf den jeweiligen Menschen an. Wissen Sie, warum es bei mir geklappt hat? Weil ich Amerikaner bin! Wir Amerikaner sind programmiert auf Optimismus, selbst wenn es offensichtlich hoffnungslos erscheint. Amerika hat die meisten selbstsicheren dummen Leute auf der Welt produziert. P: Ihr Programm wird auf Englisch sein. Wie ist Ihre Erfahrung, vor Publikum zu spielen, dessen Muttersprache nicht Englisch ist? RDH: Ganz unterschiedlich. In Teilen Europas sprechen die Menschen gut Englisch, woanders nicht. Mein Programm ist sehr universell und ich selbst habe eine sehr gute englische Aussprache, insofern sollte jeder mit rudimentären Englischkenntnissen viel Vergnügen mit mir haben. Aber Sie haben recht, es ist ein bisschen wie ein blind date. P: Freuen Sie sich auf Ihren ersten Auftritt in Deutschland? RDH: Oh ja, ich kann es kaum abwarten, etwas Neues zu erleben. Deutschland kann der Anfang von etwas Neuem sein, oder auch nicht, aber ich freue mich, ich liebe Herausforderungen. Egal, ob mich alle verstehen oder mich nicht kennen, ich werde der beste Reginald sein, der ich sein kann und es wird mir einen Riesenspaß machen. – erschienen in gekürzter Form im September 2014 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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