Mönchengladbach ist sicher eine schöne Stadt. Bestimmt gibt sie einen vorzüglichen Rahmen für kulturelle Ausdrucksformen unterschiedlichster Couleur ab, seien es Theaterstücke oder Kriminalromane. Wofür sich die Vitusstadt allerdings weniger eignet, ist ein Konzert unter freiem Himmel während wetterunbeständiger Tage im Mai. Selbst wenn sich mit Shakira einer der heißeren Exporte Südamerikas im Niederrheinischen einfindet, hält sich die örtliche Wetterlage nicht an den beschwörenden Titel ihrer Welttournee „The Sun Comes Out“. Im Gegenteil bleibt die Sonne meist hinter diesigen Wolken verborgen und schickt stattdessen steife Brisen durch die Tribünen des Hockeyparks, der als Veranstaltungsort ausgewählt wurde. Und wenn schon keine Wärme, schenkt die Sonne uns zu Beginn des Auftritts doch noch so viel Licht, dass es nicht wirklich dunkel ist und die Eröffnung - den ansonsten magischsten Moment eines jeden Konzerts - ins bemerkenswert Unspektakuläre verschiebt. Shakira lässt in den folgenden 70 Minuten mit ihrer zehnköpfigen Begleitband und zwei Tänzerinnen aber nichts unversucht, um gegen diese widrigen Umstände anzusingen und zu tanzen. In der Tat liefern sie gemeinsam ein blitzsauberes Konzert ab, inklusive allem, was man bei einem Auftritt von der schönen Kolumbianerin erwartet. Natürlich sind da die vielen Hits, von denen sie unter anderem eine rockige Version von „Whenever, Wherever“ inklusive einer Referenz zu EMF‘s „Unbelievable“, „Gypsy“, „Sale El Sol“, „Loca“ und „She Wolf“ singt. Sie greift mitunter auch zu Akustikgitarre und Mundharmonika, lädt vier Besucherinnen zur Bauchtanznachhilfe auf die Bühne ein, spielt sogar einen unplugged-Teil auf dem Bühnen-Satelliten inmitten des mit rund 4000 Besuchern bezifferten Publikums. Ob Metallicas „Nothing else matters“ dabei unbedingt eine lateinamerikanische Umdeutung erfahren musste, lassen wir lieber unkommentiert. Im 20-minütigen Zugabenteil finden noch „Hips don‘t lie“ und der WM-Song von 2006 „Waka Waka (This Time for Africa)“ Platz. Doch ist das Singen bei Shakira ja ohnehin eher Sekundärtugend, nicht jeder mag ihren tiefen Stimmsitz, die merkwürdig eingezwängte Stimmfarbe in den höheren Registern und das Überschlagen der Stimme in die Oktave. Ihr viel beredteres (und dank der großen Videoleinwände auch bestens zu studierendes) Ausdrucksmittel ist der Hüftschwung, den sie reichhaltig und überraschend facettenreich präsentiert. Unbeeindruckt von den umgebenden 10 Grad Celsius tanzt, hüpft und wackelt die 34-Jährige barfuß über die Bühne, wobei sie sich nach und nach mehrerer Schichten ihrer wechselnden Oberbekleidung entledigt - ungefähr in dem Maß, wie die textilen Wärmeschichten im Publikum zunehmen. Temperament und Temperatur gehen hier einen ungleichen Kampf ein, der am Ende solch skurrile Bilder von Menschen übrig lässt, die in Jacken und Plastik-Regenponchos gehüllt Salsa tanzen. Das ist wohl das Maximum, was Mönchengladbach an kolumbianischem Feuer zulässt. – erschienen im Mai 2011 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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