Darf ein Punkrock-Song eigentlich neun Minuten lang sein? Ist es nicht vielmehr eines der goldenen Gesetze dieser Musik, dass die maximale Liedlänge drei Minuten nicht überschreitet? Anderen Bands des Genres genügt schließlich diese Zeitspanne, um ihre musikalisch-künstlerische Aussage klar zu machen. Die US-Punker von Green Day sehen das indes nicht so eng. Bei ihrem Konzert in der komplett ausverkauften Philipshalle spielen sie nach dem eröffnenden Titelsong der aktuellen CD „American Idiot“ direkt den besagten Neun-Minüter „Jesus of Suburbia“. Mit Bryan Adams’ „Summer of ’69“ und Johnny Cashs „Ring of Fire“ bedient sich das Stück sicher an eher suspekten musikalischen Vorbildern und bei weiterem Graben in dieser Richtung stellt sich auch schnell heraus, dass die Herren Billie Joe Armstrong (Gesang, Gitarre), Mike Dirnt (Bass) und Tré Cool (Schlagzeug) mit „American Idiot“ insgesamt nicht über eine recht uninspirierte Rock-Oper hinauskommen (was immer noch ein ziemlich drastischer Schritt vom Punkrock zum Pomprock ist). Doch all das zählt bei diesem Konzert nicht mehr. Green Day wischen alle kategorialen Stilbedenken mit Spielfreude, ansteckendem Charme und leichtfüßiger Offenheit von der Bühne. Völlig unbekümmert brettern die Drei durch ihr Programm, hier und da unterstützt von zwei weiteren Gitarristen, einem Keyboarder und einem Bläsersatz. Von dem textsicheren Publikum werden neben den neuen Songs vor allem „Basket Case“ und „When I come Around“ von „Dookie“ sowie „Hitchin A Ride“ und „Good Riddance“ von „Nimrod“ frenetisch gefeiert. Insbesondere drei jungen Fans wird der Abend noch lange in Erinnerung bleiben. Um eine „neue“ Band zu gründen, schnappen sich Green Day aus dem Publikum einen Schlagzeuger, Gitarristen und Bassisten, denen sie kurzerhand ihre Instrumente in die vor Bewunderung zitternden Hände drücken und sie auf drei Akkorden, der ewigen Urformel des Punkrock, herumschrammeln lassen. Und als ob damit noch nicht genug Freude in die Gesichter der Jungs gezaubert wäre, verschenkt Billie Joe Armstrong schließlich auch noch seine Gitarre an seinen jungen Ersatzmann. Von den enthusiastisch jubelnden Fans verabschieden sich Green Day schließlich mit Queens „We are the Champions“ und einer in eine riesige Konfettiwolke gehüllten Halle. – erschienen im Januar 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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