Es gehört sicher zu den mutigeren Kunstgriffen des Geschichtenerzählens, den Helden bereits früh sterben zu lassen. Solche radikalen Stilmittel sind heute vor allem bei Filmemachern sehr beliebt. Doch schon lange vor den Meistern der flimmernden Zunft hat bereits der britische Komponist Edward Elgar ein Werk geschrieben, das während der ersten halben Stunde nichts anderes als den Todeskampf seines Protagonisten beschreibt. In „The Dream of Gerontius“ op. 38 schildert Elgar die in Töne gesetzte Reise der Seele eines alten Mannes nach dem Tode ins Paradies. Zur klanglichen Veranschaulichung von Elgars romantischem Himmelfahrtskommando haben sich die Düsseldorfer Symphoniker mit John Fiore am Pult mit dem Städtischen Musikverein zu Düsseldorf und dem Gesualdo Ensemble sowie den Solisten Kristina Hammarström (Mezzosopran), Glenn Winslade (Tenor) und Mikel Dean (Bass) auf der Bühne der Tonhalle vereint. Überraschenderweise geht Glenn Winslade seinen Part des greisen Gerontius mit beeindruckenden Kraftreserven an. Fernab jeder gerontologischen Verfallserscheinung entringen sich ihm die todesängstlichen Rufe auf dem Sterbebett mit fast siegfriedhafter Präsenz. Erst zum Ende des ersten Teils, der gleichsam das irdische Ende des Gerontuis markiert, sinkt seine Stimme unterhalb des mezzoforte. Auch die dramatisch zu Werke gehenden Symphoniker trägt es in der von christlicher Symbolik durchwebten Partitur dynamisch zuweilen fort, John Fiores fuchtelnde Linke muss hier mehrmals eingreifen und wieder für kontemplative Ruhe sorgen. Neben der etwas undankbaren Rolle des Priesters, die Mikel Dean souverän meistert, erstrahlt Kristina Hammarströms Engel in reicher Pracht. Sie verleiht ihrer Partie mit zurückgenommener Intensität und ruhiger Schönheit die um Erlösung wissende Güte, die Winslade als aufsteigende Seele nur kurz anklingen lässt, um aber dann rasch wieder ins Kämpferische zu wechseln. Mit der Klarheit und einfühlsamen Dichte des Gesualdo Ensembles kann zwar auch der Städtische Musikverein nicht mithalten, doch verwandelt er sich in den Engels- und Seelenchören zu einem tröstenden Meer der Stimmen für den alten Mann Gerontius. In der großen Schlusshymne kommt der Chor zu einem wirklich erhebenden Moment, den das Publikum mit viel Applaus noch etwas verlängert. – erschienen im März 2005 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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