Du bist Aida

2/9/2006

0 Kommentare

 
"Eine Oper, ohne auch nur ein Stück, das einem Begeisterung abzwinge oder das einen elektrisiere. Ohne den großen Aufwand sei sie nicht bis zum Finale zu ertragen."
Derart harsch beschwerte sich einst ein heute längst vergessener Signor Bertani bei Giuseppe Verdi über dessen damals neue Oper Aida. Er ging sogar soweit, dem Maestro die Erstattung seiner für den Besuch der Aufführung entstandenen Unkosten abzutrotzen. Wir wissen leider nicht, wie hart Signor Bertani mit der jüngsten Aida-Produktion in der LTU arena ins Gericht gegangen wäre, aber gefallen hätte sie ihm vermutlich immer noch nicht. Die Arena, von ihrer schieren Imposanz an die Pyramiden heranreichend, an der Form aber klar europäisch zu erkennen, birgt in ihrem Innenraum ein Fußballfeld-großes Tableau ägyptischen Alltags. Lange vor Beginn der Ouvertüre wuseln hier bereits eifrige Statisten zwischen den meterhohen Requisiten im aufgeschütteten Wüstensand umher. 

Rund 600 Personen sollen hier in den kommenden dreieinhalb Stunden ihren Beitrag zur Untermalung der tragischen Geschichte um Aida und Radames leisten. Doch das allein reicht den Produzenten der Arena-Aida noch lange nicht. Das als Mega-Spektakel inszenierte Popcorn-Schauspiel lässt sich auch in Sachen Spezialeffekten aller Art nicht lumpen. Sogar Pferde, Kamele und einen Geier bieten die Veranstalter auf, um aus Aida eine Mega-Aida zu machen. Das Publikum wird dabei als Volk von Theben integriert, alle gehören dazu, Du bist Ägypten, Du bist Aida. Womit das Problem des Abends umrissen wäre. Denn als Ergebnis dieser opulenten Materialschlacht wird die Oper von hunderten Füßen in den Sand getrampelt. Der symbolisch kreisende Geier hätte blendend ins Bild gepasst, wäre das bemitleidenswerte Tier nicht bei seinem Auftritt mit lautem Knall an einem der Bühnenbauten havariert. Eben dieser durchaus anerkennenswert detailverliebt ausstaffierte Bühnenraum mag noch so groß sein, für die Handlung der "amor fatale" zwischen Sklavin und Feldherr bietet er keinen Platz. Die von inneren Kämpfen getriebenen Charaktere – selten lässt Verdi seine Figuren so leiden wie hier – stehen nicht nur viel zu weit voneinander entfernt, um aus einem Duett oder Terzett ein Opernspiel erwachsen zu lassen, sie sind auch vom Publikum ohne Fernglas nur als kleine Figuren auf dem riesigen Areal wahrzunehmen. 

Überdies ist es nicht leicht, in der Melange aus Sandalenfilm, Rosenmontagszug und Sandkastenspiel die gerade aktiven Sänger und Sängerinnen auszumachen. Womit aber die erfreulichen Aspekte des Abends angesprochen sind. Die Düsseldorfer Symphoniker unter GMD John Fiore, der Städtische Musikverein zu Düsseldorf sowie die Solisten der Deutschen Oper am Rhein bieten sehr ansprechende Leistungen. Die Symphoniker kennen Aida natürlich in- und auswendig, auch Fiores Verehrung für Signor Verdi ist kein Geheimnis. Aber auch wenn die Aida unzählige Stellen hat, an denen ein bisschen schludern nicht auffiele, ausgerechnet an "der" Szene im Triumphmarsch darf ein Orchester den Fanfaren auf der Bühne nicht vorauseilen, schleppendes Tempo hin oder her. 

Das Ensemble der Rheinoper mit Morenike Fadayomi (Sopran, Aida), Keith Olsen (Tenor, Radames), Boris Statsenko (Bariton, Amonasro), Chariklia Mavropoulou (Mezzosporan, Amneris), Thorsten Grümbel (Bass, Pharao) und Felipe Bou (Bass, Ramfis) überzeugt, wobei Fadayomi, Olsen und Mavropoulou hervorstehen. Giuseppe Verdi, erfolgreich und souverän, hat übrigens damals dem so bitter enttäuschten Bertani die Eintrittskosten anstandslos überweisen lassen. Heute ist so etwas selten geworden. O Isis und Osiris...

– erschienen im September 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf

0 Kommentare



Hinterlasse eine Antwort.

    Der Popwart
    Musikblog aus Düsseldorf

    Ich schreibe gern. Am liebsten über Musik, Konzerte und Kram. Manchmal für die Zeitung. Manchmal ungefragt.

    Impressum
    Mein Buch über
    Progressive Rock & Klassische Musik
    für 4,99€ 
    PDF Download

    Worüber ich schon geschrieben habe:

    Alle
    6-Zylinder
    Abdullah Ibrahim
    AC/DC
    Ace Frehley
    Adam Noidlt Missiles
    Alfred Biolek
    Alich Und Pause
    Altstadtherbst
    André Rieu
    Angelo Branduardi
    Annett Louisan
    Anton Webern
    Arctic Monkeys
    Ata Tak
    Ausbilder Schmidt
    Auto! Auto!
    Avril Lavigne
    Axl Rose
    Backyard Babies
    Barbara Schöneberger
    Bb-king
    Bela-bartok
    Ben Becker
    Bobby McFerrin
    Branford Marsalis
    Brian Setzer
    Bushido
    Butcher Babies
    Carolin Kebekus
    Cat Stevens
    Charlotte Roche
    Chick Corea
    Chris Norman
    Christian Jost
    Christoph Maria Herbst
    Cirque Invisible
    Cream
    D-A-D
    Daliah Lavi
    David Copperfield
    Deep Purple
    Dick Brave
    Die Prinzen
    Dieter Hildebrandt
    Dieter Nuhr
    Dweezil Zappa
    Edvard Elgar
    Ennio Marchetto
    Ensemble Notabu
    Esbjörn Svensson Trio
    Eure Mütter
    Faiz Ali Faiz
    Familie Popolski
    Fanny Hensel
    Felix Mendelssohn Bartholdy
    Free
    Fury In The Slaughterhouse
    Gayle Tufts
    Georg Schramm
    Gerd Dudenhöffer
    Gerd Weismann
    Gerhard Oppitz
    Gewandhaus Quartett
    Giuseppe Verdi
    Götz Alsmann
    Green Day
    Gustav Mahler
    Gustavo Dudamel
    Harlem Gospel Singers
    Hector Berlioz
    Helge Schneider
    Helmut Lotti
    Hermann Van Veen
    Howard Skempton
    Hugo Strasser
    Ina Müller
    In Extremo
    Ingo Appelt
    James Brown
    Jan Delay
    Jango Edwards
    Jens Heinrich Claassen
    Joan Baez
    Johannes Brahms
    Johann Sebastian Bach
    John Lennon
    Joja Wendt
    Jon Gomm
    Jörg Knör
    Juilliard String Quartet
    Jürgen Becker
    Kaya Yanar
    Kelly Rowland
    Kiesgroup
    Kimmo Pohjonen
    Kim Wilde
    KISS
    Klaus Lage
    Konrad Beikircher
    Kory Clarke
    Liza Minelli
    Louis Armstrong
    Luciano Pavarotti
    Ludwig Van Beethoven
    Maceo Parker
    Manni Breuckmann
    Mario Adorf
    Marius Jung
    Mark-Andreas Schlingensiepen
    Markus Stockhausen
    Mathias Tretter
    Matthias Richling
    Max Goldt
    Max Greger
    Max Raabe
    Meret Becker
    Metallica
    Michael Hirte
    Mireille Mathieu
    Mischa Maisky
    Missfits
    MonaLisa Twins
    Morimur
    Mozartband
    Mustasch
    Nana Mouskouri
    Neil Diamond
    Nelly Furtado
    Nick Drake
    Nigel Kennedy
    Oskar Gottlieb Blarr
    Pat Metheny
    Patti Smith
    Paul Kossoff
    Paul Kuhn
    Paul Panzer
    Paul Potts
    Paul Rodgers
    Peter Kraus
    Peter Maffay
    Peter Ustinov
    Peter Weiss
    Pharrell Williams
    Pink Floyd
    Ponticellos
    Pur
    Queen
    Queen Bee
    Ragna Schirmer
    Ramones
    Reginald D. Hunter
    Return To Forever
    Robert Cray
    Roger Cicero
    Roger Waters
    Roger Willemsen
    Rolling Stones
    Ronan Keating
    Schnellpoptopf
    Serdar Somuncu
    Sergej Rachmaninow
    Shakira
    Shlomo Mintz
    Sissy Perlinger
    Slipknot
    Soil & Pimp Sessions
    Sol Gabetta
    Sonderjyllands Symfonieorkester
    Spandau Ballet
    Stephen K Amos
    Stromae
    The Calling
    Them Crooked Vultures
    The Tiger Lillies
    The Who
    Thomas Battenstein
    Thomas Freitag
    Tom Gaebel
    Tori Amos
    U2
    Udo Jürgens
    Ukulele Orchestra Of Great Britain
    Unheilig
    Vintage Caravan
    Warrior Soul
    Winery Dogs
    Wolfgang Amadeus Mozart
    Yo-Yo Ma
    Yusuf Islam

Powered by Create your own unique website with customizable templates.
Der Popwart: Musik-Nerdism und ungefragte Reviews