“It’s a litte known fact, I see everything black. And I don’t want to face it.” Irgendwie schaut er ja immer ein wenig traurig drein, der Herr Kotzen. Einen richtigen Grund dafür kann man von außen eigentlich nicht feststellen, auch wenn ihm im deutschsprachigen Raum die ewigen Witzchen über seinen Nachnamen vermutlich schon sauer aufstoßen. Dabei gibt es so viele schöne Dinge davon zu berichten, als er mit den Winery Dogs auf der Bühne der Matrix in Bochum, ein an diesem Abend mit rund 800 Menschen gefüllter Keller, bei der Arbeit zu beobachten ist. Zumal der Mann beneidenswert multipel begabt ist. Er spielt mit seinem eigentümlichen Fingerpicking unheimlich gut eine unheimlich hübsche Telecaster, er tastet unheimlich schön auf einem alten E-Piano herum und sein Gesang klingt unheimlich kräftig und bluesig. Manchmal so, wie Chris Cornell gerne klingen würde, der wiederum unheimlich ähnlich wie der junge David Coverdale intoniert. Und dann sieht Richie Kotzen auch noch unheimlich gut aus (wobei ich mich auf das Urteil der überraschend vielen anwesenden Damen verlassen muss, die den Herrn Kotzen teils sehr verliebt anschauen...) Den Winery Dogs, wie sich heute präsentieren, hat man aufgrund der Provinienz ihrer Beteiligten bereits schnell das Prädikat Supergroup verpasst. Stehen bzw. sitzen neben Richie Kotzen schließlich noch die hochprofilierten Frickler Billy Sheehan am Bass und Mike Portnoy am Schlagzeug. Unser Mr Kotzen spielte ja weiland schon bei Poison und Mr Big Gitarre, wo er bei letzteren auch mit Billy Sheehan gemeinsame Sache machte. Nimmt man dann noch jenen Mike Portnoy dazu, der mit Dream Theater den Progressive Rock der frühen 1970er wieder in die Gegenwart verfrachtet und mit ordentlich Heavy Metal angereichert hat, würde man eigentlich schon vorab abwinken wollen. Zu nah liegt bei einem so geballten Potenzial an instrumentaler Fingerfertigkeit, gepaart mit selbstverliebter Spielfreude, der Generalverdacht, dass man sich bei einem Winery Dogs Konzert einen Abend lang drei Meister beim Angeben antun muss. Das wissen die Winery Dogs natürlich auch selbst. Einer Kampfansage gleich und als Selbstverständnis zu verstehen, betreten die drei Amerikaner die Bühne nach Grand Funk Railroads "We're An American Band". Dieser Song ist als Intro eine kluge und sinnstiftende Wahl, referenziert er doch sowohl die musikalischen Wurzeln, das Bandformat als auch jenen den Amerikanern eigenen Nationalstolz. Nach dem eröffnenden "Elevate" spielen die Dogs in Bochum ihr selbstbetiteltes Debüt komplett durch und ergänzen es mit einigen Songs aus den jeweiligen Solo-Karrieren von Sheehan (das etwas krawallige "Shyboy") und Kotzen (eine unheimlich schöne Akustik-Verson von "Doin' What The Devil Says To Do") sowie einigen Coverversionen (u.a. "Hey Joe", sehr schön aus ihrem "Six Feet Deeper" hinein verschleppt). Auch wenn sich Kotzen und Co. beim Songwriting ihres gefälligen Hardrocks gerne mal für genretypische und manchmal etwas klischeehafte Lösungen entscheiden, kann man die Winery Dogs nicht als schlichte Epigonen-Kapelle abtun. Dafür ist ihre Musik dann doch wieder zu stark, wie etwa das unheimlich gute Riff von "I'm No Angel", das traumwandlerisch schön hingeschmachtete "Regret" (mit Richie Kotzen am E-Piano) oder das so unheimlich hübsche Textzeilen enthaltene, eingangs zitierte "Elevate". Hüddelditüddeldi von Onkel Billy Natürlich zeigen die Herren auch oft und gerne, dass sie ihre jeweiligen Instrumente richtig gut beherrschen. Da gibt's für jeden seinen ausgiebigen Solo-Spot mit ganz, ganz vielen Noten. Billy Sheehan, der sich wie ein netter Rock-Onkel aufführt und seinen Bass auch mal in Publikum hält mit der freundlichen Aufforderung, mal ein bisschen Lärm zu machen, liefert in seinen fünf Minuten ganz viel Hüddelditüddeldi und lustige Verrenkungen hinter seinem Arbeitsgerät. Indes ist die babyblaue Lackierung seines Bass in einer Rockband schon ein bisschen schwierig. Mike Portnoy, der seiner Vorliebe für obszön große Schlagzeuge heute abend schönerweise entsagt und stattdessen ein kleines Bonham-Kit verprügelt, ist ein ebensolcher Trickser, der vielleicht ein bisschen zuviel angibt mit seinen Stockwirblern und Taschenspielertricks. Zwischenzeitlich verlässt er sogar seinen Sitzplatz und trommelt sich quer über die Bühne. Weit weg von einstigen Superstar-Status (alle drei haben mit ihren Ex- bzw. Hauptbands bereits Stadien gefüllt) sind jedoch nicht nur Fans jener "anderen" Bands zu Besuch nach Bochum gekommen. Nein, es sind offenbar genuine Winery Dogs Fans, die die Songtexte kennen und auch Favoriten unter den Liedern schon bei den ersten Klängen laut bejubeln. Ein lauter, verschwitzter, enger, toller Abend.
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Der Popwart
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