Neil Diamond hat in seiner langen Karriere eigentlich alles richtig gemacht. Er hat unglaublich erfolgreiche Songs geschrieben, die er zunächst von anderen Interpreten unters Volk bringen ließ, um sich später dann selbst als Sänger und Komponist auf die Bühne zu stellen. Seit 1966 ist der New Yorker mit diesen Liedern unterwegs und ist damit präsenter, als man es auf den ersten Blick glauben mag. Während des gut zweieinhalbstündigen Konzerts in der Kölnarena, einem der drei Deutschlandauftritte Diamonds, spielt der 67-Jährige einen Katalogquerschnitt seines Oevres, das nur so strotzt vor Hits, die längst in das musikalische Allgemeinwissen eingegangen sind. Für die rund 11.000 Ticketbesitzer in der Kölnarena ist der Abend natürlich mehr als ein gefälliges Hit-Potpourri, für sie ist es ein willkommenes Feiern von Lieblingslied nach Lieblingslied. Jeden Song, den der Mann in schwarzer Jeans und schwarzem Sakko anstimmt, wird im Saal herzlich willkommen geheißen und mit viel Applaus begleitet. Vom aktuellen Album „Home before dark“ spielt Diamond einige wenige Stücke, den Löwenanteil macht die Aufarbeitung der zurückliegenden Erfolge wie „Beautyful Noise“, „Song Sung Blue“, „I am... I said“, „You don‘t bring me flowers“, „Cracklin Rose“, „Sweet Caroline“ oder „I‘m a believer“ aus. Unterstützt wird Neil Diamond von 14 unauffällig, aber qualitätvoll agierenden Musikern, die auf sechs beweglichen Inseln über die imposante Bühne gefahren werden, sodass für jeden Song eine neue Situation entsteht. Auch für die Hauptperson steht so ein fahrbares Segment bereit, was aber die unfreiwillige Komik eines Treppenlifts nicht immer verbergen kann. Dem zum Trotz gelingt es Neil Diamond, sein Publikum unmittelbar zu begeistern. Selten sind Konzerte, bei denen schon der erste Song eine Stimmung im Saal erzeugt, die andere erst zur Zugabe erreichen. Wie macht man so etwas? Indem man sich musikalisch von allzu schwerer Kost fernhält und es bei der inhaltlichen Aussage auch eher leicht goutierbar belässt. Neil Diamonds Disziplin, die er wirklich vollendet beherrscht, ist das große, das ganz große Schubidu. Darin ist er ein wahrer Altmeister, ein Grand Seigneur des amerikanischen Stadionsounds, der es an diesem Abend sogar schafft, ein bisschen Las Vegas in die Kölnarena zu zaubern. Natürlich ist er mit 67 nicht mehr so flott unterwegs wie früher, das geht uns allen so. Die dramatisch bewegtesten Stellen singt Diamond daher auch konsequent im Sitzen. Aber seine Stimme, großes Pfund und Säule seines Erfolgs, hat er sich erhalten. Immer noch besitzt er diesen diamantenen Schmelz und das charakteristische Timbre, welches er heute, mit silbernem Schopf, fast noch besser zur Schau stellt als je zuvor. Auch das hat er genau richtig gemacht. – erschienen im Mai 2008 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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