Es ist eine echte Sensation. Cat Stevens, jener sanft blickende Sänger mit der Samtstimme, der einst alles hinter sich ließ, was mit seiner bis dato überaus erfolgreichen musikalischen Karriere zu tun hatte, plötzlich alle Brücken zu seinem Publikum und der Musikindustrie abbrach, von seinem bisherigen Leben rein gar nichts mehr wissen wollte und sogar seine Identität ablegte, die Religion wechselte und einen Lebensweg einschlug, der um ihn herum nur ratloses Kopfschütteln hervorrief, dieser Mann kehrt ebenso unversehen nach beinahe drei Dekaden zurück auf die Musikbühne. Allerdings nicht als Cat Stevens, sondern unter jenem Namen, den er sich 1979 an der Schwelle zu seinem neuen Ich gab: Yusuf Islam. Über die Gründe, die ihn damals aus seiner alten Welt fliehen ließen, hat er sich meist nur zurückhaltend geäußert. Unzufrieden sei er mit seinem Leben gewesen, er fühle eine Stagnation auf der Suche nach sich selbst. Und so weiter. Verstanden hat das damals jedenfalls kaum jemand. Den erarbeiteten Status als kommerziell florierender und international hoch geschätzter Top-Musiker scheinbar so mir nichts dir nichts wegzuwerfen, um sich mit ganzem Herzen dem stillen und privaten Leben als Muslim zu widmen, löste weithin nur Verwunderung aus. Hinzu kam diese jähe Entschlossenheit und irritierend vehemente Ablehnung seines singenden Alter Egos, die kräftig auf die Legendenbildung um Cat Stevens einzahlten. Künstlerischer Suizid, urteilten die einen achselzuckend. Unglaublicher musikalischer Verlust, betrübten sich andere, denen die Klänge von „Morning has broken“, „Moonshadow“ oder „Father and Son“ fortan wehmütige Stiche ins Herz versetzten. Emotionale und spirituelle Erlösung nannte es dagegen Yusuf Islam. Wie auch immer, die Sensation bleibt. Er ist wieder da. Exakt 40 Jahre nach Veröffentlichung seiner ersten Single und - viel wichtiger – gute 28 Jahre nach seinem plötzlichen Verschwinden. Den Nachrichtenagenturen war dies zunächst nur ein paar schlanke Zeilen wert, doch für die Fans klang es, als würden sich die Beatles wieder vereinigen. So klein die Meldungen waren, so schnell wuchsen die Erwartungen an die neuerliche Bekehrung des Yusuf Islam und die angekündigte CD. Und die Fragezeichen. Denn so sehr sich in all diesen Jahren über Cats Gründe für den Ausstieg die Köpfe zerbrochen wurden, umso mehr wundert Yusufs ebenso unvermitteltes Comeback. Noch 15 Jahre nach seinem Sinneswandel erklärte er in Turban und bodenlanges Gewand gekleidet während einer TV-Show mit Thomas Gottschalk, ein Schmetterling würde sich auch nicht mehr in eine Raupe zurückverwandeln wollen, sobald er einmal fliegen könne. Eine Rückkehr des Yusuf zu Cat schließe er damit eigentlich aus. Doch es gab Anzeichen. 2004 erschien mit der „Majikat“-DVD ein Konzertmitschnitt seiner 1976er Tournee, die auch ein aktuelles Interview mit Yusuf enthielt. Aus dieser ersten Annäherung ist jetzt tatsächlich ein ganz neues Album geworden. „An Other Cup“ ist der Titel, eine Tasse mit einem Ozean ziert das Cover, darüber prunkt in großen Lettern der Name Yusuf. Doch so eine andere Tasse (im deutschen Sprachraum wäre es des anderen Bier) ist es gar nicht. Lässt man die vexierenden Namen Cat und Yusuf beiseite, klingt Musik aus den Boxen, der man nicht anhört, dass sie sich 28 Jahre gedulden musste, bis ihr Schöpfer endlich seinen inneren Frieden mit sich gefunden hat. Tatsächlich steckt sogar viel mehr Cat in ihr, als Yusuf es vielleicht wahr haben will. Nicht nur thematisch ist es das buchstäbliche alte Lied, Yusuf singt von Liebe, Spiritualität und Glaube, so wie es Cat bereits tat. Auch musikalisch hält Yusuf an jenen Stilmitteln fest, die Cat groß gemacht haben. Bildschöne Fingerpickings auf der akustischen Gitarre, lyrischer Gesang mit dem sonor-dunklen Timbre (in der Tiefe ist Yusuf ein bisschen rau geworden, aber bitte), wiegende Tempi und die manchmal etwas merkwürdigen Akkordwechsel, gepaart mit vorsichtiger Unterstützung von Klavier, Bass und Schlagzeug. Songs wie "Maybe There's A World" oder "One Day At A Time" könnten unerkannt auf frühen Alben ihren Platz finden, die neue Single "Heaven (Where True Love Goes)" hat eine sanfte Modernisierung im Soundgefüge erfahren. Doch selbst wenn anderes eher gewöhnungsbedürftig ist, liegt doch ein Album vor, das aus einem weiteren Grund so nicht zu erwarten gewesen ist. Verglichen mit vielen Zeitgenossen von Cat Stevens, die mit ihren späten Comeback-Alben der Reihe nach ihre eigenen Denkmäler teils beschämend zerstörten, ist es im Falle von Yusuf Islam nicht einfach nur gut gegangen. Sie schenkt ein merkwürdiges Hör-Erlebnis, denn es klingt wie früher, doch fehlen all die Erinnerungen und verbundenen Gefühle. Der verlorene Sohn ist zurückgekehrt, das Füllen mit Emotionen liegt nun vor uns. – erschienen im November 2006 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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