Sechs halb entkleidete junge Männer, eine beinah unüberschaubare Menge an mehr oder minder sperrigem Schlagwerk, unter anderem zwei Waschzuber und mehrere Blumentöpfe, ja sogar schießende Pistolen sind direkt vor dem Altar der Neanderkirche zu erleben. Diese für den üblichen Kontext kirchlicher Inneneinrichtung doch höchst ungewöhnliche Assemblage ist aber nicht etwa auf die Reste einer Halloween-Party zurückzuführen, sondern ist die benötigte Ausrüstung für das erste Konzert der Reihe „3 mal Neu“ in der Neanderkirche. Nun mag man sich natürlich zu Recht fragen, inwiefern das Ablegen von Oberbekleidung in einem Gotteshaus zu einem intellektuellen Hör-Erlebnis Neuer Musik gehört, doch hat man hier die Rechnung ohne den musikalischen Schalk eines Oskar Gottlieb Blarr gemacht. Nach der Eröffnung des Abends mit Steve Reichs Komposition „Six Marimbas“, stehen sechs Musiker des hervorragenden SchlagEnsembles H/F/M (mit dem köstlichen Beinamen „Die Spezialisten für Holz-/Fell-/Metallbearbeitung in Wuppertal“) vor ihrem Leiter Christian Roderburg, um Blarrs Stück „My body is my instrument“ auszuführen. Streng nach Roderburgs Dirigat hüpfen, klatschen und stampfen die jungen Männer, um sich dann der Reihe nach ihrer Hemden zu entledigen. Die nunmehr in doch recht unterschiedlichen Trainingszuständen dargestellten Bäuche stehen aber keineswegs nur im Dienste eines optischen Gustos der Anwesenden, sondern werden als resonante Schlagfläche verwendet. Hier kommt die Musik tatsächlich aus dem Bauch. Erste Anflüge von Amüsement steigern sich weiter, als die Akteure später ihre Hand unter die Achsel legen und durch ruckartige Kompression von Luft zu einer Klangerzeugung kommen, die weitab aller konventionellen Klänge eines Konzerts liegen. Ganz traditionell dagegen ist der Klang der Violine (ausgezeichnet gespielt von Constanze Löffler) in Lou Harrisons „Concerto for Violin & Percussion Orchestra“, die als Solopart dem teils lärmenden Schlagwerk an die Seite gestellt ist. Zum Abschluss sorgt die akustische Darstellung der Salpetergewinnung, bei der als Nebenprodukt auch Schießpulver anfällt, in Babette Koblenz’ „Salpêtriére, Version B“ mit Hilfe von Plastikpistolen für Knalleffekte. – erschienen im November 2004 in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf
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Der Popwart
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